Zootiere anfassen

Material Tierkinderzoo mit Raubtieren

In einem umzäunten Gehege sitzt ein Gepardenjunges vor einer Gruppe von jungen Hausschweinen und Schafen.

Bild aus dem Berliner Tierkinderzoo um 1933. (AZGB. Alle Rechte vorbehalten.)

Ein Gepard umringt von jungen Ziegen, Lämmern und Ferkeln? Ein ungewöhnliches Bild. Das Foto aus dem Zoo Berlin zeigt ein Phänomen, das es so schon lange nicht mehr gibt, aber in den 1930er Jahren äußerst populär war: den Tierkinderzoo. Die nachfolgende Einrichtung, der Streichelzoo, findet sich bis heute in vielen Tiergärten. Aber wer weiß noch, dass dort früher auch Bärenjunge und Löwenbabys gehalten wurden?

Im Sommer 1931 organisierte der Zoo zum ersten Mal eine Sonderschau mit Jungtieren. Das Besondere: Besetzt war die eingezäunte Anlage, für die man Eintritt bezahlen musste, nicht nur mit Jungtieren heimischer Haustierrassen, sondern auch mit kleinen Raubtieren aus Europa und Afrika, die man alle füttern, streicheln, auf den Schoß nehmen und sogar mit der Flasche füttern konnte.

Ein Bärenjunges sitzt auf einem Stein und wird von zwei Kindern an einem Halsband festgehalten, während zwei weitere Kinder es mit einem Fläschchen füttern.

Die Funkwoche Berlin zeigt die Fütterungsübungen mit Bärenbaby im Berliner Zoo, 19.05.1933.

Was heute als irritierend, gefährlich und wenig artgerecht erscheint, war damals ein so großer Erfolg, dass es bisweilen zu Engpässen bei der Lieferung junger Löwen, Tiger und Leoparden kam.1 Auch weil schon bald weitere Zoos ihren Besucher:innen ähnliche Attraktionen bieten wollten. “Großes Löwenstreicheln im Zoo” kündigte die Leipziger Tageszeitung am 8. November 1935 an2 und im Stellinger Tierpark beobachtete der Zoodirektor, wie gern die Besucher:innen junge Löwen auf den Arm nahmen und streichelten.3 Der Bedarf an Jungtieren blieb aber auch deshalb hoch, da die Jungtiere im nächsten Sommer längst zu groß geworden waren und ersetzt werden mussten. Raubtierbabys waren auf dem Markt entsprechend begehrt und teuer;4 man nahm daher, was man bekommen konnte: “Wie schon besprochen, könnten anstatt der jungen Raubtiere vorläufig exotische Bären genommen und diese evtl. später gegen junge Raubtiere ausgetauscht werden”,5 ließ der Tierhändler Ruhe, der die Raubtierjungen für den Berliner Zoo lieferte, dessen Direktor wissen.

Kleinkinder spielen in einem Kinderwagen mit jungen Raubkatzen.

Bild des Tierkinderzoos von 1936. (AZGB. Alle Rechte vorbehalten.)

Der Tierkinderzoo im Berliner Garten war so beliebt, dass der Zoo sie mehrfach wiederholte. Das Zusammentreffen von Lamm und Gepard in der eingangs gezeigten Aufnahme war also kein Versehen. Ebenso wenig wie das Zusammentreffen von Lamm, jungem Gepard und Menschenkindern. Heute werden dagegen weder in Berlin noch in anderen deutschen Zoos Raubtiere in dieser Form ausgestellt oder mit Haustieren wie Schafen oder Ziegen zusammen gehalten. Geblieben sind die Streichelzoos mit Haustieren. Sie bieten zwar keinen direkten Kontakt zwischen Menschenkind und Raubtierjungem, doch das kommt nicht nur den Tieren zugute, sondern vermittelt auch nicht mehr das Bild von Raubtierbabys als Kuscheltieren.

Auf einer Wippe sitzen zwei Kinder, die jeweils ein Löwenjunges vor sich platziert haben. Eine Gruppe von Personen beobachtet das Geschehen.

Keine Berührungsängste zwischen Menschenkind und Raubtierjungen, wie das Heidelberger Tageblatt vom 10.07.1932 in diesem Foto zeigt.


  1. Schriftwechsel und Werbematerialien zum Tierkinderzoo in den Jahren 1931-1934, AZGB, O 0/1/61, 138 und 201; L. Ruhe an den Zoo Berlin, 03.02.1931, AZGB O 3/2/1.
  2. “Großes Löwenstreicheln im Zoo”. Leipziger Tageszeitung 08.11.1935.
  3. Hildegard Zukowsky. “Löwenprinzchen”. CHITuMW 1, Nr. 6 (1926): 132-134, zit. nach: Nastasja Klothmann. Gefühlswelten im Zoo: Eine Emotionsgeschichte 1900-1945. Bielefeld: transcript, 2015: 291.
  4. Der Zoo selbst hätte gar nicht ausreichend Jungtiere gehabt, um den Kinderzoo zu bestücken. Der Zoo teilte sich die Einnahmen mit der Tierhandelsfirma.
  5. L. Ruhe an den Zoo Berlin, 03.02.1931, AZGB O 3/2/1.
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