Leguan in Weingeist

Material Von der Kolonie über den Zoo in die Sammlung

Doppelseite eines aufgeschlagenen Notizbuchs, dessen handschriftliche Einträge für den Monat September im Jahr 1844 in eine eigenhändig gezeichnete Tabellenform gegliedert sind.

Notizbuch des Tierpräparators Friedrich Beyer am Zoologischen Museum in Berlin, das am 11. September 1844 den Eingang eines Grünen Leguans verzeichnet sowie dessen Provenienz und Präparation. (MfN, HBSB, ZM S I Verwaltungsakten, Tagebuch Beyer, 1844. Alle Rechte vorbehalten.)

Am 11. September 1844 verzeichnete Friedrich Beyer, Tierpräparator am Berliner Zoologischen Museum, in seinem Notizbuch den Eingang eines Grünen Leguan Iguana tuberculata (heute Iguana iguana) aus dem Zoologischen Garten, “lebend mitgebracht von dem Reisenden [H]errn R. Schomburgk”.

Eigentlich war der Botaniker Schomburgk auf einer mehrjährigen Sammelreise in der damaligen Kolonie Britisch Guyana unterwegs, um naturkundliche Objekte zu sammeln. Im Laufe der Reise schickte er zahlreiche Kisten mit getrockneten Pflanzen, Skeletten und in Weingeist eingelegten Tieren an das Zoologische Museum und den Botanischen Garten in Berlin. Nachdem er aber von der anstehenden Eröffnung eines Zoos in der Stadt gehört hatte, begann er, auch lebende Tiere für den Zoologischen Garten zu sammeln.

Nur wenige von ihnen überlebten die zweimonatige Reise an Bord eines Handelsschiffs. Beim Transport lebender Tiere über weite Distanzen musste man damals hohe Verluste hinnehmen. Die Gründe waren vielfältig: die Bedingungen an Bord, zu denen Ernährung und Unterbringung gehörten; die langen Reisezeiten; mangelndes Wissen der an Bord für die Tiere Verantwortlichen – etwa über die Lebensgewohnheiten und insbesondere klimatische Ansprüche der Tiere, ihre Ernährung oder adäquate Transportbedingungen wie Einzelkäfige für Einzelgänger. Was tun mit den teils seltenen oder wertvollen toten Tieren? Zwei Zitteraale, die die Schiffspassage nicht überstanden, wurden direkt ins Zoologische Museum Berlin überwiesen. Der Grüne Leguan hatte mehr Glück: Er überlebte die Reise und wurde mit den anderen Tieren, die lebend in Berlin ankamen (wir wissen von neun Tieren) im Zoologischen Garten gezeigt. Wie die meisten überlebte der Leguan vermutlich jedoch nur etwa einen Monat im Zoo und gelangte nun ebenfalls in die Sammlung des Zoologischen Museums – des einen Verlust war somit des anderen Gewinn.1 Was Beispiele wie diese zeigen, ist, wie Mitte des 19. Jahrhunderts die gescheiterten Versuche, lebende Tiere nach Europa zu bringen oder in Zoos am Leben zu halten, vor allem dazu beitrugen, Sammlungen zu bestücken. Das Tier ist bislang in der Sammlung allerdings nicht auffindbar. Das kann mit der damaligen Verzeichnungspraxis zusammenhängen oder aber das Exemplar ist im Laufe der Zeit entsorgt worden oder verschollen. Das Beispiel des Leguans macht damit zugleich die Schwierigkeiten bei der Arbeit mit historischen Sammlungsobjekten und ihren Aufzeichnungen deutlich.


  1. Schomburgk traf Anfang August 1844 in England ein, von wo er über Hamburg weiter nach Berlin reiste. Der tote Leguan traf Beyers Angaben zufolge am 11. September 1844 im Museum ein. Vgl. Richard Schomburgk. Reisen in Britisch-Guiana in den Jahren 1840-1844, Bd. II. Leipzig: J. J. Weber, 1847-1848: 511-512.
Tiere als Objekte? Eine Webseite des Forschungsprojekts “Tiere als Objekte. Zoologische Gärten und Naturkundemuseum in Berlin, 1810 bis 2020”, herausgegeben von Ina Heumann und Tahani Nadim. Datenschutzerklärung | Impressum